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Mittwoch, 2. November 2011

Denkanstoß: Tourismusnachfrage ist differenzierter

Sobald eine Destination, Region oder Stadt ihr „Profil“ definiert hat, scheint es losgehen zu können: Werbeagenturen geben die Marketingstrategie vor, es werden Logos gemalt und Schönwetterbildwelten inszeniert. Alle in der Region können sich auf ein Ziel konzentrieren: die Bekanntheit ihrer Marke zu penetrieren. Gerne gibt man sich totalitär: Alle Macht der Markenbekanntheit! Mit einem klaren Profil starke Marktpräsenz zeigen! One sound and one picture in der Kommunikation! Kompromisslose thematische Zuspitzung auf das Markenbild. User Manuals werden verteilt und Tourismustage schwören die Gemeinde ein. Man hetzt von Messe zu Messe und zeigt gleichförmige Bilder. Beteiligungsmarketing verkauft Leistungsträgern das Gefühl, an einem Trend teilzuhaben. Sogar mancher Tourist folgt dem Ruf zunächst, weil es schick ist – jedoch wie lange hält das?




Bei der Fixierung auf die Markengefolgschaft vergessen die Markenwächter in den Tourismusorganisationen oft die eigentliche Motivation und Erlebnisidee für einen Besuch in der Region, d.h. die Vision des „Markenkerns“ – genauso wie sie seine inhaltliche Aufladung mit unterschiedlichen erlebbaren Geschichten und Produkten vernachlässigen.
Uniforme Massenabfertigung entsteht. Differenzierung ist Fehlanzeige und es entstehen klischeehafte und über den Anfangsevent schnell langweilende Images. Eintönig wird das Marken-Objekt oder Thema in den Mittelpunkt aller Kommunikation geschoben. Tourismusmanager sonnen sich in steigenden Bekanntheitswerten, aber schon die Frage, ob daraus auch nachweisbar Wertschöpfung für die Region erfolgt, führt zu Ausreden, dass man das nicht so genau sagen könne.


Selbst wenn die Ankunftszahlen steigen, ist mehr nicht immer besser. Der Massentourismus zeigt: mehr Gäste erhöhen auch die Kosten zu deren Bewältigung und oft sinkt sogar die regionale Wertschöpfung mit dem Rückgang an Qualität.

Hinzu kommt mangels ausreichenden Budgets für ein umfangreiches Markenmanagement die thematische Reduzierung: Ist mit dem bekannten Mittelpunkt wirklich der Markenkern für eine Region getroffen, oder ist es mehr eine Verlegenheitslösung? Die Überbetonung des emotionalen Mehrwerts gegenüber einer seriösen Produktbeschreibung stellt bei touristischen Regionen eher eine Dissonanz in der Wahrnehmung dar. Manche Destination wirbt dabei für etwas, wo die Hausaufgaben in der Produktgestaltung noch gar nicht gemacht sind. Befragungen zeigen, dass anspruchsvollerer Gäste durch die Trivialisierung eher abgestoßen werden. Weil zugleich Vorurteile bedient werden birgt ein „Ein-Themen-Marketing“ schließlich die Gefahr für das Gefühl, wer es einmal gesehen hat, weiß dann nichts mehr mit der Region anzufangen. Dagewesen und abgehakt? Das muss nicht sein.

Zeit zum Umdenken für stures Drehkreuzmarketing. Eine Tourismusregion wird nicht konsumiert und hat andere Marketinggesetzmäßigkeiten als Fastfood, Schuhe oder Handies. Der touristische Gast reist viel seltener, weil es schick ist, dagewesen zu sein. Die Mehrheit hat differenzierte Vorstellungen von einer gelungenen Reise oder Tour. Dabei gilt, dass er „multioptional“ sein möchte, also eine Region – durchaus mit einem markant präsentierten Ziel – aber dann unter verschiedenen Erlebnismöglichkeiten zu erfahren, zu umrunden, erkunden und genießen. Dazu müssen Assoziationen differenziert angeregt werden, „Geheimtipps“ noch wirklich etwas Exklusives haben und regionale Genussnetzwerke erlebbare Produkte mit regionaler Bodenhaftung präsentieren. Dies erfordert keine marktschreierische Werbung, sondern ein intelligentes Regionalmanagement, was anfangs ein mühsamer Weg ist – dafür lohnt es sich nachhaltig, und zwar für alle in der Region: Politik, Tourismus und Leistungsträger.


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