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Samstag, 3. Dezember 2011

Strukturwandel in der Reisebranche?

2.500 Reiseveranstalter sorgen sich in Deutschland mit mehr als 10.000 Vertriebsstellen um des Bürgers schönste Tage des Jahres. Der Umsatz der Veranstalter kletterte gerade um 9 Prozent auf das Allzeithoch von 23,3 Milliarden € und auch die Umsätze des Reisevertriebs stiegen um 2 Milliarden € auf 22,5 Milliarden € im ablaufenden Jahr, von denen 14,5 Milliarden auf Urlaubsbuchungen entfielen und der Rest auf Geschäftsreisen.

So beeindruckend die Zahlen sein mögen, für die deutsche Tourismuswirtschaft gibt es auch Kehrseiten:
  • Zum einen bedeuten die hohen Umsätze für Deutschland eine erheblich negative Handelsbilanz, d.h. deutsche Urlauber geben mehr als das Doppelte im Ausland aus, als ausländische Gäste hier ins Land zurückbringen: über 60 Milliarden € werden "exportiert" gegenüber knapp 30 Milliarden € "Import".
  • Die Zahl von 2.500 Veranstaltern lässt einen sehr lebendigen, vielschichtigen Markt vermuten, aber über 80% des Milliarden-Umsatzes liegen in der Hand von nur fünf großen Reiseveranstaltern mit TUI und Thomas Cook an der Spitze. Gegenüber diesem Oligopol sind die Mehrzahl nur Klein- und Kleinstunternehmen, die kaum Marktrelevanz besitzen.
  • Einer der ganz großen, Thomas Cook, schwächelt - aus selbstgestrickten Managementproblemen - und scheint sich zum Übernahmekandidaten zu entwickeln. Die Folgen für die deutsche Reisebranche sind noch nicht abzusehen.
  • Und im Inland geht trotz der Rekordumsätze das Reisebürosterben weiter: von den 2002 existierenden 14.200 stationären Vertriebsstellen gibt es aktuell nur noch 10.240. Allein im abgelaufenen Reisejahr ging die Zahl um 130 zurück. Dafür wurde mehr im Internet gebucht.
  • Auch im hart umkämpften Markt gibt es starke Konzentrationstendenzen. Längst ist das Internetgeschäft ein Oligopol und von wenigen Anbietern getrieben. Gerade hat der Marktführer HRS die zweitstärkste Plattform Hotel.de geschluckt und damit den Wettbewerb geschmälert.

Das jährliche Selbstberauschen der Touristik-Manager an vorhersagbaren oder teilweise auch einfach hochgerechneten Milliardensummen verkennt, dass eigentlich wenig Grund zum Feiern besteht: die Internationale Tourismuswirtschaft scheint gut über die Finanzkrise zu kommen, aber sie lebt von der Hand in den Mund und tut sich schwer, eine klare strategische Richtung zu finden:

Es gibt keine (politisch relevanten bzw. beachteten) Antworten auf ökologische Fragen, für nachhaltiges Wirtschaften mit dem Schutz regionaler Bestände, Strukturen und Kulturen ist ein Fremdwort, politische und wirtschaftliche Ungleichheiten werden ignoriert und Kleinkämpfe um Emissionsrechte oder Bettensteuern lenken davon ab, dass die umsatzstarke Tourismuswirtschaft demDeutschlandtourismus zu wenig Wertschöpfung bringt.
Und eine auch regionale Strukturen und Potenziale in tourismusrelevanten Regionen oder Destinationen werden praktisch nicht geachtet. Vermarktet werden weiterhin fast nur Klischees, die bis zum letzten ausgebeutet werden, bevor die Karawane weiterzeiht und Investitionsruinen zurücklässt. Destinationsmanager sollten also vorsichtig sein, mit wem Sie den Tanz für die touristische Entwicklung ihrer Region beginnen.

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