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Dienstag, 9. April 2013

Recruiting via Social Media? Eine Frage der Reife!



„Moderne Zeiten“ hieß der Filmklassiker von Charlie Chaplin Mitte der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Was damals die Industrialisierung der Arbeitswelt war, ist heute die Digitalisierung. Und immer mehr Unternehmen befürchten den Anschluss zu verpassen, wenn sie nicht auf diesen Zug aufspringen. Etwa durch locker flockige Selbstdarstellungen in Sozialen Medien. Und wirkt das auf die jungen, so heiß umworbenen Fachkräfte wirklich unwiderstehlich? Oder ist erstmal die Überlegung angebracht: Passt das (schon) zu uns?

Fraglos vollziehen sich aktuell gesellschaftliche Gedankenwechsel, mit einem neuen Verständnis von Arbeit, Abhängigkeit und kreativen Gestaltungs- und Entfaltungsspielräumen. Junge, selbstbewusste Kreative etwa arbeiten heute oft lieber im Co-Working-Space als sich den klassischen Strukturen eines Unternehmens anzupassen. Und sie machen dann ebenfalls nicht selten eine Unternehmenslaufbahn - wenn überhaupt - von sehr dezidierten Fakoren abhängig. Wie gut gepflegt und lebendig ist das Unternehmens-Intranet? Gibt es überhaupt eines? Und wie glaubhaft stellt sich das Unternehmen im Netz dar? Kaum etwas kann stärker als Bumerang zurückkommen, als wenn ein Unternehmen mit der Unmittelbarkeit und der Schnelligkeit dieser Medien nicht umgehen, vor allem aber mit den hiermit korrespondierenden Werten und Verhaltensmodi (bspw. dem Wunsch nach Transparenz) nichts anfangen kann. Hier stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis, den Werten und Handlungslogiken, die ein Unternehmen pflegt und die eine Unternehmenskultur ausmachen.

Ein sehr anschauliches Modell zu Unternehmenskulturen ist das Modell des US-amerikanischen Sozialpsychologen Clare Graves, der aus der evolutionären Entwicklung des Menschen heraus in einem ständigen Pendeln zwischen Einzelkämpfertum und Gemeinschaftsgeist heraus fünf Denk- und Handlungslogiken
erforscht hat, die auch charakteristisch für Unternehmen sind. Das sind die Macht, die Ordnung, die
Leistung, die Gemeinschaft und die Integration. Diese Denk- und Handlungslogiken bestimmen sehr stark das Miteinander im Unternehmen, in Teams, zwischen Abteilungen. 

Ein Beispiel: Zwei Teams sollen fusionieren, eines davon setzt voll auf die Gemeinschaft, alle sind auf das gemeinsam erreichte Ergebnis stolz, das andere setzt auf Leistung des Einzelnen, es zählt, was der- oder diejenige allein  erreicht hat. Die Missverständnisse können fast in eine Art Krieg ausarten. In eher Machtorientierten Unternehmen zählt das, was der Chef sagt - in vielen Kliniken etwa ist dieser autokratische Führungsstil immer noch ausgesprochen lebendig. "Ordentliche" Unternehmen setzen vornehmlich auf fest zugeteilte Zuständigkeiten und wehe, diese werden in Frage gestellt. Und jede dieser Denkweisen pocht auf die Richtigkeit ihrer Einstellung. Erst die Denk- und Handlungsweise der Integration erlaubt eine situativ angemessene Einordnung. Es gibt Situationen, in denen ein Machtwort unverzichtbar ist und machtvolles Durchgreifen Schwung in die Sache bringt. Genauso sind in anderen Situationen eher Leistung, eher Ordnung oder eher Gemeinschaft der Sache dienlich.

Was ist nun das prägend für eine Internet-, eine Onlinekultur? Im Regelfall Mitbestimmung, dialogorientierte Prozesse und zugleich die Betonung des subjektiven Verständnisses. Es ist eine sehr bunte Mischung und ein solches Verständnis im Unternehmen auszuhalten, erfordert Reife, erfordert eine integrative Kultur, die mit Widersprüchen umgehen kann, die Offenheit, die sie einfordert auch tolerieren kann, wenn sie in Kritik gegenüber dem Unternehmen mündet. 

Was heißt das für das Agieren und Reagieren im Netz und auf Erfordernisse einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft? An dem wachsenden Erfordernis von Netzkommunikation – auch im Recruiting – kommen Unternehmen mittelfristig nicht vorbei. Sie sollten sich aber sehr genau fragen, ob sie zuvor ihre Unternehmenskultur einem genauen Check unterziehen sollten. Es gibt  validierte Test- und Diagnosetools und maßgeschneiderte Beratungen und Coachings, mit deren Unterstützung sich Unternehmen gezielt entwickeln können, um zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Zug zu steigen. 

Katharina Daniels, Fachjournalistin und PR-Beraterin, www.daniels-kommunikation.com

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