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Donnerstag, 1. März 2012

Mediterrane Finanzkultur auch in Deutschland

"Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?" war in der zurückliegenden Karnevalszeit wieder ein beliebter Schunkelklassiker. Der Karneval ist vorbei und der raue Alltag holt uns sofort ein. Griechenland braucht eine weitere Finanzhilfe von über 100 Milliarden €; bürgerkriegsartige Proteste wenden sich gegen Sparkonzepte; in Spanien liegt das Staatsdefizit mit 8,6 % deutlich höher als erwartet und fast dreimal so hoch wie erlaubt und Länder wie Portugal und Italien werden von den Finanzmärkten und Ratingagenturen immer wieder empfindlich "getestet". Und in Deutschland geht es wir gewohnt...
http://www.staatsverschuldung.de/2012-01-26.htm


 
Staatsdefizite und Schuldenberge haben sowieso alle Länder der westlichen Welt in aberwitziger Höhe; in Deutschland sind es nun schon über 2 Billionen €, mit denen Bund, Länder und Kommunen in der Kreide stehen: das ist eine Verschuldung von inzwischen etwa 25.000 € pro Kopf (vom Säugling bis zum Greis). Je Erwerbstätigem in Deutschland sind es sogar 50.000 € - was bei einem jährlichen Durchschnittseinkommen von ca. 31.000 € brutto (nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung) eine Summe ist, für die im Privatleben jeder Kreditberater schon nach weiteren Sicherheiten fragt.

Wir sitzen mit den Mittelmeeranrainern nicht nur durch den Euro in einem Boot, sondern haben uns eine mediterrane Finanzkultur sehr zu Eigen gemacht: Die Antwort auf die Frage, wie unser Staat - und damit letztlich die Bürger - sich derartig in die Schuldenfalle manövriert hat, liegt leider nicht allein in der Bewältigung außergewöhnlicher (aber normalerweise einzigartiger) Ereignisse, wie der deutschen Wiedervereinigung oder der Weltwirtschaftskrise. Sie liegt in dem jahrzehntelangen Egoismus, weit über die eigenen Verhältnisse zu leben. Was im Privatleben geächtet und geahndet ist, wird im öffentlichen Sektor schamlos zum Handlungsprinzip.

In großem Stil wird mehr ausgegeben, als eingenommen wird. In schlechten Zeiten wurde die Strategie nach John Maynard Keynes bemüht, antizyklisch zu investieren, um die Wirtschaft anzukurbeln und in besseren Zeiten hat man die Gewinne verjubelt. Im Gezänk von Regierungen und Oppositionen wird von Wahl zu Wahl (und jedes Jahr gibt es ja etliche) mehr versprochen und je nach Lobby oder Zielgruppe werden weitere Wohltaten verteilt. 

Der Staat verpflichtet sich zu immer mehr Leistungen, meist im sozialen Sektor, und verzichtet im Gegenzug auf Einnahmen: 
  • Warum müssen Milliarden, z.B. für ideologische Betreuungskonzepte ausgegeben werden und warum müssen Kindergärten kostenlos sein, wenn sie den Eltern auf der anderen Seite den Rücken freihalten, ein Einkommen zu erzielen? 
  • Warum schafft man keine Vorgaben für auskömmliche Verdienste, damit Lohnzusatzleistungen entfallen können? 
  • Warum wird der öffentliche Dienst und Beamtenapparat in vielen Bereichen ohne Rücksicht auf Effizienz und Produktivität personell derartig aufgebläht? 
Unser öffentlicher Sektor, d.h. Bund, Länder und Kommunen, bürdet sich Leistungen auf, von denen er weiß, dass die Rechnung nachfolgende Generationen zahlen müssen. Trickreich gibt der Bund Leistungsversprechen zu Lasten der Länder und diese zu Lasten der Kommunen, die inzwischen strukturell derartig unterfinanziert sind, dass viele ohne neue Schulden noch nicht einmal den Normalhaushalt bewältigen können. Für zukunftssichernde sogenannte "Freiwillige Ausgaben" in Kultur und Standortentwicklung bleibt dann ohnehin kaum noch etwas übrig.

Auf 128,7 Milliarden € ist inzwischen das jährliche Defizit der Kommunen gewachsen, um die der Schuldenberg also jedes Jahr wächst. Hinzukommen die Defizite von Bund und Ländern. Die gesetzliche Schuldenbremse scheint in ferner Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist eine sich auf 6 Milliarden € Mehrkosten belaufende Tarifforderung von 6,5 % nominell und 7,9% effektiv im öffentlichen Dienst ein finanzpolitischer Irrsinn. 

Die Tatsache, dass nach Jahren der Krise die Realwirtschaft derzeit wieder bessere Zahlen schreibt und auch der Staat Mehreinnahmen erwarten kann, darf nicht übermütig machen, als gäbe es nach traditioneller Verschwendungsgewohnheit schon wieder Wohltaten zu verteilen.

Mancher Deutsche schaut derzeit mit erhobener Nase auf Griechenland und andere Mittelmeerländer. Wir haben aktuell nur das Glück einer brummenden Wirtschaft, von Seiten der staatlichen Verteilungsmentalität (aufgeblähter öffentlicher Dienst und Beamtenapparat, überbordende Sozialleistungen, Tarifzusagen) wird hierzulande zur Sanierung der staatlichen Finanzen nichts besser gemacht.

Besonders zynisch wird es dann, wenn dann auch noch von "Nachhaltigkeit" gesprochen wird.

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