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Mittwoch, 15. Februar 2012

Ende oder Wende für kommunale Finanzausstattung?

Das Problem der kommunalen Finanzausstattung ist gewaltig: ein Großteil des Geldes, das den Kommunen aus den verschiedenen Quellen zur Verfügung steht (in der Regel zwischen 75% und 85%, aber auch mehr), wird durch Verwaltung und Pflichtaufgaben gebunden. 

Pflichtaufgaben dienen der Daseinsvorsorge und Sicherung der wichtigsten Infrastruktur.
Dabei sind den Kommunen insbesondere im sozialen Sektor oder der Bildung durch politische Vorgaben aus Bund und Ländern immer mehr zusätzliche Aufgaben aufgebürdet worden: oft in Form von Versprechen für kostenlose Leistungen oder andere Rechtsansprüche als Wahl- und Lobbygeschenke der Regierungen. Zu Lasten der Kommunen sind somit im Laufe der Zeit kaum noch zu bewältigende Leistungsanforderungen zusammengekommen.

Finanziell leben Kommunen deshalb von der Hand in den Mund: alles was hereinkommt, ist schon als Ausgabe zweckgebunden. Gestaltungsspielräume haben Rathäuser kaum noch für die sogenannten freiwilligen Aufgaben und Investitionen, die seit Jahren gekürzt wurden. Diese aber bewirken für die Standorte Innovation, Strukturausbau, Kultur, Bibliotheken, Bürgerservices sowie regionale Zukunftsfähigkeit, Wirtschaftsfähigkeit, Standortmarketing und Image: gespart wird also an der Zukunft. Nachhaltigkeit für die Folgegeneration bleibt auch hier auf der Strecke. Unsere reiche Gesellschaft sogt nicht vor, sondern verzehrt sofort restlos, was sie erschafft.

Auch damit ist es nicht mehr getan, denn oft müssen schon für die laufenden Ausgaben des Pflichtbedarfs Schulden gemacht werden. Betroffen sind nicht nur strukturschwache Regionen, es ist zum generellen Problem geworden. Oft stehen Städte wegen höherer Sozialverpflichtungen schlechter da, als Landkreise. Die Kassenkredite steigen und steigen und Projekte wie der kommunale Entschuldungsfond einiger Länder verschaffen da kaum Linderung - zumal der ja auch von der Gemeinschaft der öffentlichen Gebietskörperschaften und letztlich dem Steuerzahler gestemmt werden muss. 

Ein Unternehmen wäre so längst insolvent, Kommunen geraten in eine Überschuldung, zu der die gegenwärtige internationale Finanzkrise eigentlich vormacht, dass dies keine Perspektive sein darf.

Der Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz hat nun zugunsten der Kommunen entschieden, dass das Land die Kommunen bereits ab dem Haushalt 2014/15 finanziell besser stellen muss: "Die Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände ist von großer Bedeutung für die Lebensqualität der Bürger vor Ort."

Das Dilemma ist nur, dass auch das Land keine finanziellen Reserven hat und sich bisher bei den Kommunen bedient hat - durch Umlagen, Abführungen oder Verlagerung von Verpflichtungen. Also müssen sich Landespolitiker wohl künftig mit ihren Versprechungen zurückhalten, um den Gemeinden ein Leben ohne Neuverschuldungen zu ermöglichen. Dies wird die teilweise populistisch mit Wahlversprechen agierender politische Kultur erheblich verändern.




Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof auch die Kommunen aufgefordert, selbst etwas für die Verbesserung der finanziellen Situation zu tun. Strategie 1 heißt wieder sparen:
  • aber wo, wenn doch Investitionen und freiwillige Aufgaben schon fast bei Null sind?
und Strategie 2 heißt, die Einnahmen erhöhen:
  • dazu sind Investitionen für eine Verbesserung der Attraktivität der Standorte im Wettbewerb erforderlich, um mehr Steuereinnahmen und  mehr eigenwirtschaftliche Effekte zu erzielen
  • Grundlage dazu ist allerdings ein grundlegendes Umdenken vom politischen zum unternehmerischen Handeln.
Für beide Strategien muss völlig neu diskutiert und definiert werden,
  • welche Aufgaben Kommunen und Kreise künftig erfüllen wollen und müssen,
  • was wirklich Pflicht ist und welche Standards tatsächlich notwendig sind.
  • Dabei wird auch zu definieren sein, ob und in welchem Umfang diese Aufgaben von Bund und Land zu Lasten der Gemeinden festgelegt werden dürfen.
Das unendliche Draufpacken von Leistungen, ohne sich um deren Finanzierung zu kümmern, soll ein Ende haben. Die Kommunen haben mit dem Urteil einen Sieg errungen. Dennoch sind die öffentlichen Finanzen ein Teufelskreis, da sich doch alle Beteiligten letztlich immer nur aus einem Topf, nämlich dem der steuerzahlenden Bürger und Unternehmen bedienen können.

Mehr Einfachheit und Klarheit im System sowie mehr professionelles Kommunalmanagement müssten her. Aber das bleibt zu wünschen.

Konkreter zu hoffen ist, dass ein Umdenken eingesetzt hat und mit diesem Urteil sowie weiteren Umsetzungsmaßnahmen Kreise und Gemeinden künftig nicht ihre ganze Finanzkraft mehr zum elementaren Lebensunterhalt aufwenden müssen, sondern wieder Gestaltungsspielräume für Zukunftsprojekte und Bleibendes bekommen werden.

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